Jeden Tag in der Vorweihnachtszeit (1. bis 24.12.2023)

veröffentlichen wir hier auf dieser Homepage und bei Facebook eine Weihnachtsgeschichte.

 

Die nachfolgende Geschichte wurde anlässlich eines Kurzgeschichten-Wettbewerbs des NOEL-Verlages im Jahr 2019 im Siegerbuch veröffentlicht.

 

Wie den Menschen das Weihnachtsfest geschenkt wurde

 

Michael Hirschler

 

Es war einmal im Himmel ein kleiner Engel. Obwohl er jede Aufgabe, die er von den größeren Engeln erhielt, ge­wissenhaft und ordentlich erfüllte, wurde der kleine Engel dennoch nicht sehr von den anderen beachtet. Weil er so klein war, durfte er keine große Verantwortung überneh­men. Er wurde nicht zu den Engelsversammlungen einge­laden, er durfte nicht im Engelschor mitsingen und er durfte auch nicht als Schutzengel auf der Erde tätig sein, um dort auf einen Menschen aufzupassen. Obwohl es dem kleinen Engel nicht gefiel, dass ihm nichts zugetraut wurde, beschwerte er sich nie. Im Stillen wusste er, dass er es allen eines Tages beweisen werde, dass er genauso viel kann wie alle anderen.

Bald nahte der Geburtstag von Jesus und im Himmel herrschte große Aufregung, um alles für die Feierlichkeiten vorzubereiten. Wieder durfte der kleine Engel nichts ma­chen. Er wollte so gerne bei den Vorbereitungen für das Fest von Gottes Sohn mithelfen. Jeder Engel, den er fragte, ob er ihm helfen könne, antwortete ihm: „Du kleiner Engel kannst mir nicht helfen. Setz dich einfach auf den Stuhl dort in der Ecke und sei ruhig!“

Doch der kleine Engel setzte sich nicht auf den Stuhl in der Ecke, sondern flog heimlich auf die Erde, um zu sehen, was die Menschen so taten.

Es war Winter. Es war sehr kalt und die Erde war in dich­ten, weißen Schnee gehüllt. Während der Engel über die Erde flog, erblickte er ein kleines Dorf und näherte sich diesem. Dort bemerkte er eine kleine Hütte, in der ein schwaches Kerzenlicht brannte. Der kleine Engel näherte sich dieser Hütte und sah heimlich durch ein Fenster in das Innere des kleinen Hauses. Er sah eine Frau und einen Mann sowie vier Kinder, einen Sohn und drei Töchter. Sie alle saßen um einen Tisch herum, auf dem ein kleines Stück Brot in einer großen Holzschüssel lag.

„Ich habe Hunger, Mutter“, jammerte einer der Söhne, als ihm laut der Magen knurrte, und fing an zu weinen.

„Ich weiß, mein Liebling, aber mehr als dieses kleine Stück Brot kann ich dir heute nicht geben“, antwortete die Mutter traurig.

Eine der Töchter sagte: „Ich dachte, heute feiern wir den Geburtstag von Jesus. Wieso hilft er uns denn nicht?“

Daraufhin fingen auch alle drei Töchter an zu weinen.

Der Mann blickte traurig zu seinen Kindern und sagte zu ihnen: „Weint nicht, meine Kinder, solange wir auf Gott vertrauen, werden wir es schaffen. Jesus denkt sicherlich auch an uns! Also lasst uns beten!“

Dann faltete der Vater seine Hände zum Gebet und sprach: „Herr, bitte hilf uns. Erhöre unsere Gebete. Meine Frau und ich arbeiten den ganzen Tag und auch unsere Kinder helfen uns sehr, dennoch leiden wir Hunger und haben kaum zu essen. Ich bitte dich, Jesus Christus, lass uns nicht verhun­gern an deinem Geburtstag!“

Als der Engel diese Worte gehört hatte, wurde auch er trau­rig. Diesen traurigen Umstand wollte der kleine Engel än­dern und fasste sofort einen Plan. Er eilte zurück in den Himmel, um Jesus von seinem Vorhaben zu berichten.

Im Himmel herrschte große Aufregung. Alle Engel liefen hin und her, um alles für den Geburtstag von Jesus vorzu­bereiten. Der kleine Engel beachtete keinen von den gro­ßen Engeln, sondern eilte schnell zu Jesus.

„Herr“, sagte er, „ich habe auf der Erde eine Familie ge­funden, die sehr nett und hilfsbereit ist, aber auch sehr arm. Die ganze Familie hungert. Herr, sie beten zu dir, dass du ihnen hilfst“, der kleine Engel machte eine kurze Pause, be­vor er weitersprach: „Herr, erlaube mir, dass ich ihnen helfe. Morgen ist dein Geburtstag und ich möchte, dass sie ihn auch schön feiern können!“

Jesus antwortete freundlich: „Ja, hilf dieser Familie und er­freue die Kinder!“

Am nächsten Abend eilte der kleine Engel mit einem gro­ßen Sack, der mit verschiedenen Dingen vollgefüllt war, auf die Erde zurück. Den ganzen Tag hatte er nachgedacht, wie er die Kinder und die Familie glücklich machen könne.

Da kam ihm eine Idee. Sobald er auf der Erde war, suchte er im Wald nach einem kleinen Bäumchen. Es war Winter und die meisten Bäume hatten ihre schönen Blätter abge­worfen und zeigten jetzt ihre kahlen, braunen Äste. Da stach dem Engel eine Tanne mit ihren schönen grünen Na­deln ins Auge. Er schnitt den Baum ab und flog damit zum Häuschen der Familie. Dort sah der kleine Engel wieder beim Fenster hinein und erblickte die Familie, wie sie ge­rade betete.

Nach dem Gebet ging die Familie schlafen. Sie waren so arm, dass Mutter und Vater sowie alle vier Kinder in einem gemeinsamen kleinen Zimmer schlafen mussten. Als alle eingeschlafen waren, schlich sich der kleine Engel heimlich ins Häuschen. Der Raum, den der kleine Engel betrat, war klein, dunkel und kalt. So holte er vier große Kerzen aus seinem Sack, stellte sie auf den Tisch und zündete sie an. Der dunkle Raum war nun in ein angenehm warmes Licht gehüllt und die großen Kerzen erwärmten allmählich den Raum. Jetzt stellte der kleine Engel mitten im Zimmer den Tannen­baum auf, den er kurz zuvor im Wald abgeschnitten hatte. Der Baum reichte bis zur Decke des kleinen Raumes und hatte dichte, schöne Äste. Leise fing er an, den Baum zu schmücken. Sorgfältig hängte er kleines, süßes Gebäck, ge­trocknete Apfelringe, in weißes Papier gehüllte Nüsse und bunte Bänder auf die Äste. Danach steckte er ein schönes Holzkreuz auf die Spitze der Tanne. Nachdem der Baum fertig geschmückt war, legte der kleine Engel noch Ge­schenke unter den Baum: Einen köstlichen Gänsebraten, einen Korb voll Brot, Obst und Gemüse, und für jedes Kind ein Spielzeug aus Holz. Zum Schluss verbrannte er noch ein paar Weihrauchkörner, deren angenehm süßlicher Duft den kleinen Wohnraum noch festlicher wirken ließ. Nachdem er das alles erledigt hatte, betrachtete der kleine Engel zufrieden seinen schön geschmückten Baum. Er ge­fiel dem kleinen Engel sehr.

Nun holte der kleine Engel eine Glocke aus dem Sack her­vor und klingelte kräftig. Sodann verließ er schnell das Haus und stellte sich zu jenem Fenster, durch welches er schon am ersten Abend die arme Familie beobachtet hatte.

Langsam öffnete sich die Tür des Zimmers, in dem die Familie geschlafen hatte. Das Geräusch der Glocke hatte alle aufgeweckt. Der Vater steckte als erster den Kopf aus der Tür. Als er den hell erleuchteten und angenehm duften­den Raum mit der schön geschmückten Tanne sah, rieb er sich schnell die Augen. Mit geöffnetem Mund blieb er in der Tür stehen. Nun waren seine Frau und seine Kinder auch neu­gierig, warum der Vater ein so überraschtes Ge­sicht machte, und eilten aus dem Zimmer. Auch sie blieben beim Anblick des geschmückten Baumes verwundert ste­hen.

Nochmals rieb sich der Vater seine Augen.

Beim Anblick der überraschten Gesichter musste der kleine Engel freudig lachen.

Niemand von der Familie konnte glauben, was er da sah. Schnell sahen sich alle von ihnen im Zimmer um, ob sie jemanden finden würden, der die Kerzen angezündet, den Baum geschmückt und die Weihrauchkörner verbrannt hatte. Doch sie konnten niemanden entdecken. Dann sagte die Mutter zum Vater: „Es ist ein Geschenk Gottes. Der Herr hat unsere Gebete erhört und sicherlich einem seiner Engel befohlen, dieses Wunder hier zu vollbringen.“

Der Vater nickte zustimmend.

Als die Kinder das viele Essen und die Spielsachen erblick­ten, wollten sie schon zum Baum rennen. Ihr Vater und ihre Mutter aber sagten zu ihnen: „Lasst uns vorher Gott und Jesus Christus sowie allen seinen Engeln für dieses Geschenk danken! Wir wurden erhört und gerettet.“

Zufrieden mit sich selbst flog der kleine Engel in den Himmel zurück. Als er zurückgekommen war, feierten die übrigen Engel schon freudig den Geburtstag von Jesus.

Jesus näherte sich dem kleinen Engel und sagte zu ihm: „Ich danke dir! Du hast mir von allen Engeln das schönste Geschenk gemacht. Du hast nämlich in meinem Namen einer Familie in Not geholfen. Obwohl du so klein bist, hast du dennoch Großes vollbracht! Von nun an wirst du den großen Engeln ebenbürtig sein. Ich danke dir sehr für deine barmherzige Tat! Möge von nun an jedes Jahr zu meinem Geburtstag in jedem Haus ein so schönes Fest gefeiert wer­den.“